Als mir vor einiger Zeit meine Mutter von einem Gespräch mit einer Freundin erzählte, gab sie mir ein Zitat aus diesem Gespräch mit: “Die jungen Leute verwenden ja keine Tischdecken mehr.”
Das gab mir zu denken. Denn sie hatte Recht. Selbst in der Gastronomie sind Tischdecken häufig eine Seltenheit. Sie wurden abgelöst von schmalen Läufern, von Sets, oder eben von nichts. Und ja, ich kann dies auch zum Teil verstehen. Die edle Holzplatte eines Tisches immer mit einem Stück stoff zu verdecken, ist schade.
Und trotzdem: zu einer festlichen Tafel gehört für mich auch eine Tischdecke. Dabei hatte die Tischdecke, als sie entstand, vor allem die Funktion, den Tisch zu schützen.
Tischdecken haben Tradition
Die Entwicklung der Tischdecke ist eng mit der Geschichte der Tischkultur verbunden. In der Antike wurden Tische meist nur bei besonderen Anlässen wie Festen oder Banketten verwendet. Zu dieser Zeit dienten Tücher dazu, die Tische vor Schmutz, Kratzern und Flecken zu schützen. Häufig waren diese Tücher aus Leinen oder anderen groben Stoffen gefertigt.
Während des Mittelalters wurden Tische auch im Alltag häufiger genutzt, und es entstanden immer aufwendigere Tischdekorationen. Tischdecken aus kostbaren Materialien wie Seide oder Brokat wurden oft mit Stickereien und anderen Verzierungen geschmückt und dienten als Statussymbol für die Reichen. In Europa wurden im 17. Jahrhundert Tischdecken immer beliebter und begannen, in vielen verschiedenen Mustern und Farben hergestellt zu werden.
Im Laufe der Industrialisierung wurden Tischdecken auch aus Baumwolle und anderen preiswerteren Materialien hergestellt. Die Verwendung von Tischdecken wurde allmählich zur Norm, nicht nur bei offiziellen Anlässen, sondern auch im Alltag. In der viktorianischen Ära wurden Tischdecken oft sehr dekorativ gestaltet und mit Spitze, Borte und anderen Verzierungen verziert.
Tischdecken werden oft mit passenden Tischläufern, Servietten und Tischsets kombiniert, um ein harmonisches Gesamtbild zu schaffen. Die Gestaltung von Tischdecken ist heute so vielfältig wie nie zuvor, mit zahlreichen Mustern und Designs, die von modern und minimalistisch bis hin zu traditionell und opulent reichen. Und doch scheint die Tischdecke aktuell so out zu sein, wie nie zuvor. Schade eigentlich.
Einfachheit & Bequemlichkeit
Einer der Gründe dürfte sein: Tischdecken mache Arbeit. Sie kann nach einem Essen verschmutzt sein, sie zu waschen, aber insbesondere dann, sie zu bügeln oder mangeln, bereitet Arbeit. Und daher ist der Verzicht darauf auch leider ein Zeichen von Bequemlichkeit, manchmal gerne unter dem Label “Nachhaltigkeit” kaschiert. Und ja, für die Herstellung einer Tischdecke werden Ressourcen verbraucht, auch für die Reinigung.
Allerdings kommt dem Aspekt der Nachhaltigkeit der allgemeine Trend zu Minimalismus und Einfachheit zur Hilfe. Da werden auf einmal Tischdecken als altmodisch und zu traditionell wahrgenommen, ein Tischläufer oder Untersetzer, um den Tisch zu schützen, entsprechen mehr dem minimalistischen Zeitgeist.
Dabei lassen sich aus gebrauchten Tischdecken, die es aktuell zu Hauf auf dem Markt gibt, sehr schöne Tischdekorationen gestalten. Denn nicht jedes Esszimmer verfügt über die schöne Eichen-Tischplatte, die man auf keinen Fall verdecken möchte.
Wandel der Essgewohnheiten
Auch in der Vergangenheit war die Tischdecke nicht unbedingt ein Alltagsgegenstand, ihre edle Version war etwa der Sonntagstafel vorbehalten. Doch da traditionelle Familienessen, die eine formelle Tischdekoration mit sich bringen, sind seltener geworden. Familien kommen nicht zusammen, Familienmitglieder essen oft getrennt voneinander oder auswärts. Da braucht tatsächlich niemand eine Tischdecke. Und wenn der Pizzakarton auf dem Tisch steht, kann auch eine Tischdecke nichts mehr retten.
Fazit
Es gibt Anlässe, da geht es auch ohne, etwa bei einer formlosen Gartenparty. Doch bei den meisten Fällen, insbesondere dann, wenn es etwas festlicher, etwas besonderer sein soll, dann gehört auch eine Tischdecke dazu. Gröberes Leinen kann ein schöner Kontrast zu feinem Porzellan sein, edler Damast mit Silberbesteck ist noch immer ein Garant für eine stilvolle Tafel. Und natürlich darf es auch im Alltag ein Läufer sein. Und das gute: meist müssen wir die Tischdecken gar nicht neu kaufen. Wir sollten sie einfach mal wieder öfter aus dem Schrank holen.